Lieber ein Ende mit Schrecken...?

[Anne]

"Was ich weiß ist, dass ich ihr im Praxeum nicht begegnen würde. Sie ist aber nicht auf der Krankenstation. Ysanne hat gesagt, sie befindet sich in eurer Obhut. Ich befürchte, dass sie irgendwo eingesperrt ist. Damit wäre ich ganz und gar nicht einverstanden. Es war schließlich auch nicht notwendig, ihr das zuzumuten, als ich noch mit ihr zusammen war. Natürlich ist es anstrengend, jeden Tag vierundzwanzig Stunden mit einer Person zu verbringen, die gerade etwas verwirrt ist. Ich weiß, wie das ist. Aber ich finde, diese Mühe solltet ihr euch schon machen. Ihr könnt euch ja abwechseln. Aber sie einfach irgendwo wegzusperren, wo sie vielleicht Angst hat oder allein ist, das ist nicht in Ordnung", fand Enric.

[goldie]

Tionne sah ihn nachdenklich an. "Wie stark war denn ihre Verwirrung in den Tagen vor eurer Ankunft?"

[Anne]

Da er der Meinung war, dass Tionne ohnehin bereits Bescheid wusste erzählte er ihr, wie Jolene auf der Mission gewesen war. Er erwähnte die Kameras und ihre paranoiden Gedanken. Auch schilderte er, wie sie versucht hatte, ihm das Teleportationsartefakt wegzunehmen und was sie so für wirre Dinge gesagt hatte. Dass sie ihm verboten hatte Auren zu sehen erwähnte er nicht. Das hatte im Nachhinein ja fast Sinn ergeben.
"Sie war schon immer gefährlich. Schon auf der letzten Mission, wo sie mit dem Sprengstoff herumgespielt hat, weil sie glaubte in einem Traum zu sein. Aber es hat keinen interessiert. Ich war ja da und habe Schlimmeres abgewendet. Und kaum bin ich nicht mehr bei ihr, sperrt ihr sie einfach weg..."
Er wirkte nicht in erster Linie wütend, so wie gestern. Eher enttäuscht und traurig.

[goldie]

Tionne hatte mitfühlend zugehört.

"Dass sie die Realität nicht mehr erkennt, macht sie in der Tat sehr gefährlich. Für sich selbst und für andere. Es muss wirklich sehr schwierig für dich gewesen sein, mit ihr zusammen zu sein, wenn sie ihre Schübe hatte. Deswegen kann ich auch gut nachvollziehen, dass du die Beziehung beendet hast. Ich kenne nicht die Details, doch ich kann mir vorstellen, dass mit ihr zusammenzubleiben euch beide näher und näher an die dunkle Seite geführt hätte. Mir steht nicht zu, deine Handlungen zu bewerten. Dennoch denke ich, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast, auch wenn sich dadurch Jolenes Zustand nochmal weiter verschlechtert hat. Zuweilen ist so etwas nötig, um Heilung zu erfahren.

Ich kann mir vorstellen, dass es für dich eine sehr schmerzhafte Vorstellung ist, dass Jolene eingesperrt sein könnte. Du hast selbst sehr traumatische Erfahrungen gemacht, als der Kreis der wahren Macht dich festgehalten hat. Enric, wir sind nicht wie sie, auch wenn dir dein Unterbewusstsein das vielleicht einreden möchte. Leider hat sich gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn jemand bei ihr ist, um sie von gefährlichen Handlungen abzuhalten. Jolene ist in der Tat in Sicherheitsgewahrsam. Denk daran, was du selbst über sie gesagt hast. Ein Sprengstoffgürtel und Wahnvorstellungen vertragen sich nicht gut. Hinzu kommt, dass ihre Fähigkeiten mit der Macht erheblichen Schaden anrichten können. Wir machen ihr den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich. Sie weiß, dass sie jederzeit nach uns rufen kann und dass sie mit ihren Freunden sprechen kann. Kannst du verstehen, dass diese Maßnahmen notwendig sind?"

[Anne]

Er dachte eine Weile darüber nach. "Ja", sagte Enric schließlich leise. "Bestimmt hasst sie mich jetzt dafür. Wenn ich sie nicht verlassen hätte, wäre das nicht passiert. Das ist bestimmt der Grund, warum ich nicht zu ihr darf, nicht wahr? Sie will mich nicht mehr sehen?"

[goldie]

"Sie ist weit davon entfernt, dich zu hassen. In ihren Augen seid ihr nach wie vor ein Paar. Und deswegen wäre es so fatal, wenn sie dich sehen würde. Versetze dich mal in ihre Lage. Wie würde sie wohl reagieren, wenn du mit ihr sprechen würdest? Welchen Effekt hätte das wohl auf ihre Genesung?"

[Anne]

"Sie hat es letztes Mal schon nicht glauben wollen. Dabei habe ich mich diesmal wirklich sehr verständlich ausgedrückt, dass ich das nicht mehr wollte", sagte Enric. Er wirkte eine Weile nachdenklich, dann fragte er: "Xid hat gesagt, sie wird wieder gesund werden? Wie denn? Sie macht doch schon lange Therapie. Sie hat zwar schon vieles überwunden, aber trotzdem tickt sie immer wieder ein bisschen anders. Ich dachte, das würde für immer so bleiben."

[goldie]

"Ich bin keine Expertin für Psychotherapie. Doch ich denke seine Arbeitsweise ist dir nur allzu vertraut. Vertraust du auf sein Urteil?"

[Anne]

"Ja, doch. Er weiß schon, was er tut. Ich hatte nur wirklich angenommen, dass sie immer so bleiben würde..."
Er dachte darüber nach, was das für ihn bedeutete, was es für sie beide als Paar bedeutet hätte, wenn er das vorher gewusst hätte, dass sie wieder gesund werden könnte.
"Wie geht es jetzt weiter? Und kann ich irgendetwas tun?"

[goldie]

"Nein, sie wird nicht so bleiben. Wenn sie soweit ist, wird sie auch ihre Jediausbildung fortsetzen können. Und es gibt womöglich tatsächlich etwas, das du für sie tun kannst. Es wird der Tag kommen, an dem sie mit dir über euch reden möchte. Dies ist wichtig, damit sie wirklich mit dir abschließen und darüber hinweg kommen kann. Es wäre schön wenn du dann für dieses Gespräch zur Verfügung stehen würdest."

[Anne]

"Natürlich. Das ist doch selbstverständlich."
Der Gedanke, dass Jolene endgültig mit ihm abschließen würde, tat weh. Und für dieses Gefühl schämte er sich. Schließlich war er derjenige gewesen, der keine vierundzwanzig Stunden nach der Trennung schon mit der nächsten Frau zusammen gekommen war.
"Danke für dein Verständnis, Tionne. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet. Und entschuldige bitte mein Verhalten gestern. Sag es auch Ysanne und Xid, dass es mir leid tut, wenn du möchtest. Ich war nur etwas... überfordert von der Situation. Und erlaube mir bitte noch eine Frage. Habt ihr etwas von Corbyn gehört? Wird seiner Schwester beistehen?"

[goldie]

"Entschuldigung angenommen." Sie lächelte sanft.
"Ich werde es den anderen mitteilen. Und unabhängig davon, ob du die Ausbildung fortsetzt, du bist jederzeit hier willkommen. Wenn du Gesprächsbedarf hast, kannst du dich gerne an mich wenden. Und Xid würde dir auch dann zur Verfügung stehen, wenn du dich gegen das Praxeum entscheidest. Und um deine Frage nach Corbyn zu beantworten: Er wird in einigen Tagen eintreffen."

[Anne]

"Danke. Dieses Gespräch hat mir sehr geholfen. Ich werde noch etwas Zeit brauchen, um mir zu überlegen, ob ich zurück komme. Ich glaube, ich benötige erstmal etwas Abstand und einen freien Kopf. Aber ich werde mich, sobald ich mich entschieden habe, bei euch melden. Sagt mir Bescheid, falls sich irgendetwas bezüglich Jolenes Zustand ändert oder ich etwas tun kann. Auch wenn ich nicht mehr mit ihr zusammen bin ist sie mir dennoch wichtig. Und vergiss nicht, dich zwischendurch auch Mal zu erholen. Mit Verlaub, du siehst aus als könntest du Mal etwas Schlaf gebrauchen", kommentierte Enric, der nach der letzten Nacht ebenfalls nicht auf dem Höhepunkt seiner Attraktivität war.

[goldie]

Tionne schüttelte leicht den Kopf, auch wenn unklar war, weswegen. "Wir melden uns, wenn du etwas für Jolene tun kannst. Möge die Macht mit dir sein."

[Anne]

Enric dachte, dass ihr Kopfschütteln sich auf seinen letzten Satz bezog. "Tut mir leid, dass ich gesagt habe, dass du dich Mal ausruhen sollst. Das war wohl etwas grenzüberschreitend. Ich hatte selbst nicht so viel Schlaf und stehe vielleicht ein wenig neben mir. Möge die Macht auch mit dir sein."